Kleists "Der zerbrochene Krug"

07. Januar 2025

„DER KRUUG! Herr Richter, der Krug ist zerbrochen!“ Die Empörung von Marthe Rull (Verena Konietschke) ist im Zuschauerraum mit der Hand zu greifen, als sie Richter Adam (Ansgar Wilk) ihr Leid klagt und Gerechtigkeit für den Frevel einfordert. Jedoch ist dieser nur der Ausgangspunkt einer weit größeren Missetat, die des Nachts geschehen ist. Die „Neue Werkbühne München“ interpretiert das „Lustspiel“ Heinrich Kleists erfrischend anders, ohne jedoch vom Wesentlichen abzuweichen. So erwecken die insgesamt nur sechs Schauspieler die „Geschichte hinter der Geschichte“ nicht nur auf der Bühne zum Leben, sondern schaffen es, das gesamte Publikum zu fesseln. Der Inhalt des Stücks und die Verwicklung des Richters Adam wird auch ohne besondere Vorkenntnisse schnell klar, das Winden des nächtlichen Missetäters, um eine Aufklärung des Falls bezüglich der Zerstörung des Krugs zu verhindern, gerät mehr und mehr zur Posse. Der „Herr“ Gerichtsrat Walter (im Stück bewusst von einer Frau dargestellt) springt der armen Eve (Lucca Rabenstein) gegen die männliche Dominanz zur Seite und so trägt die strenge „Frau Gerichtsrätin“ (Sarah Giebel) entscheidend dazu bei, dass Eve sich am Ende überwindet, über das nächtliche Bedrängen und die Nötigung durch den Richter zu berichten. Dieser erkennt, dass sein „Schmierentheater“ vorbei ist und flüchtet. Das so erzeugte „halbe Happy End“ einer doch sehr ernsten Handlung lässt das Publikum zunächst nachdenklich, anschließend erleichtert zurück. In der darauffolgenden Fragerunde zeigte sich, dass die Schülerinnen und Schüler vom Stück zum Nachdenken angeregt wurden, neben allgemeinen Fragen zum Schauspiel-Beruf wurden auch inhaltliche Fragen zu Figuren oder zur Inszenierung gestellt, die alle bereitwillig und ausführlich beantwortet wurden.

Insgesamt war die Inszenierung der „Neuen Werkbühne München“ ein voller Erfolg.

Auf Sachbeschädigung steht übrigens ein Strafmaß von bis zu zwei Jahren – das dürfte Frau Rulls Unmut über den zerbrochnen Krug etwas beruhigen.
Text: Michael Seifert